Nordische Mythenwelt
veröffentlicht in sb 3 2020
Mit der Wasser-Erlebniswelt „Rulantica“ erweiterte der Freizeitpark sein Ressort auf einer Fläche so groß wie 63 Fußballfelder. Die nordische Themenwelt ist ein Mix aus skandinavischem Stil, nordischen Landschaftszügen und mystischen Szenerien. Als Basis der Wasserwelt diente der Masterplan des amerikanischen Büros PGAV. Dieser wurde durch die Architekten und Ingenieure der pbr AG geprüft, optimiert und schließlich umgesetzt.
Das bauliche Herzstück der Wasserwelt bildet eine muschelförmige Halle mit 20 m Höhe und rund 12.000 m² Nutzfläche, davon rund 3.000 m² Wasserfläche. Die 32.600 m2 große Badehalle mit großzügiger Verglasung beherbergt neun unterschiedlich thematisierte Bereiche mit 25 Wasser-Attraktionen, darunter 17 Rutschen und ein Wellenbad (das größte in Deutschland), ein „Wild River“, ein Strömungskanal (Lazy River), mehrere Wasserspielplätze für unterschiedliche Altersgruppen, Wasserfälle, Sprudelliegen und Ruhebereiche. Einen Überblick über die Indoor-Wasserwelt genießen die Gäste der „Komfort Hyddas“. Diese Hütten in exklusiver Lage bieten einen privaten Rückzugsort für bis zu vier Personen.
Der Outdoorbereich mit 8.000 m2 wartet mit „Vildstrøm“ auf, einem reißenden Wildbach. Dabei können sich Klein und Groß durch das beheizte Flussbett treiben lassen. Ein beheizter Pool mit ganzjährig geöffneter Poolbar versprüht Urlaubsflair.
Gut zu wissen
Standort
Rust, Deutschland
Bauherr/Betreiber
Europa-Park GmbH & Co Mack KG
Architekten
pbr Planungsbüro Rohling AG
DE - 49076 Osnabrück
www.pbr.de
Wasseraufbereitung
aquila wasseraufbereitungstechnik GmbH
www.aquila-wasser.de
Autor
pbr, Europa-Park
Fotos
David Franck
Europapark / M Thoma
Offizielle Eröffnung
November 2019
Möchten Sie dieses Heft bestellen? Oder noch besser: Abonnieren Sie unsere Zeitschrift für 56 Euro. Dann erhalten Sie alle sechs Ausgaben pro Jahr!
Anforderungen an das Dachtragwerk
Das Dachtragwerk unter dem 11.000 m² großen, fächerförmigen Holzdach berücksichtigt die dem Schwimmbadbau geschuldeten klimatischen und technischen Gegebenheiten und bezieht gleichzeitig die konstruktiven und gestalterischen Aspekte ein. Die Schwimmhalle ist großzügig belichtet, andererseits stützenfrei realisiert, um Sichtbeziehungen aus allen Bereichen auf die großzügige Projektionswand im Herzstück der Halle zu gewährleisten.
Die für die Shows notwendige Bühnentechnik wurde an der Konstruktion installiert, ebenso die restlichen technischen Anlagen. Um allen Ansprüchen gerecht zu werden, technische, klimatische und konstruktive sowie gestalterische Aspekte zu vereinen, erfolgten Analysen unterschiedlicher Konstruktionen aus Stahl, Massiv- und auch Holz in verschiedenen Spannrichtungen. Die linear angeordnete Holzkonstruktion stellte sich schließlich als am besten geeignet heraus.
Lüftungskonzept
In den fünf 87 m langen Holzfachwerkkästen befinden sich die riesigen Lüftungskanäle, die den Hallenraum mit Frischluft versorgen. Das Lüftungskonzept ermöglicht ein Einströmen der Zuluft von oben und ein Ansaugen der Luft im unteren Bereich der Halle, sodass mögliche Schadstoffe optimal von den Wasserflächen abtransportiert werden können. Auf die Stahlstützen wurden Entfeuchtungsanlagen, Lufttauscher und viele weitere Installationen gesetzt. Allein im Bereich der Umkleide und der Gastronomie werden an etwa 850 Stellen Abdichtungs- und Dämmebenen durch Lüftungskanäle durchdrungen.
Um den gewünschten nordischen Charakter des Gebäudes zu unterstützen, sind aus den Fachwerkbindern naturbelassene Holzfachwerkkästen entstanden. Das Faltwerk wurde aus Holzbindern konstruiert, in denen geschlossene, akustisch wirksame Flächen und verglaste Flächen im Bereich des Giebels im Wechsel zum Tragen kommen.
Zur Luftverteilung dient ein Betonplateau im Herzstück der Dachfläche, in dem ein 4 m x 3 m großer Zuluftkanal sowie ein nicht minder großer Abluftkanal über zwei Ebenen kreisförmig an den massiven Auflagern der Fachwerkbinder vorbeigeführt und angeschlossen wurden.
Die Stützweite der Binder beträgt bis zu 50 m. Jeweils fünf kreisförmig angeordnete Betonstützten mit einer Höhe von 16 m und einem Durchmesser von 1,20 m tragen diese Last in Einzelfundamente ab. Aufgrund der enormen Stützweite und der Dimensionierung der einzelnen Lüftungskanäle wurden Holzfachwerkkästen entwickelt, die das Dachfaltwerk vom Betonplateau über die Rundstützen in der Halle auf 4 x 4 m große, massive Fassadentürme abtragen.
Verkleidung der Türme erinnert an Bürgertürme
Die Fassadentürme gliedern die verglaste Hauptfassade in fünf je 33 m breite Elemente. Sie geben der Fassade sowohl von außen als auch von innen eine Struktur. Die Fassadentürme nehmen nicht nur eine gestalterisch, sondern auch technisch wichtige Position ein, da sie auch dazu dienen, die Abluft anzusaugen und über die Holzfachwerkkästen weiter zur Lüftungszentrale zu transportieren.
In den Fachwerkkonstruktionen finden neben der Lüftung auch andere technische Komponenten ihren Platz. So erfolgen hier außerdem in den dafür ausgebildeten Kehlen die Dachentwässerung sowie die Steuerung der Rauch- und Wärmeabzugs-Anlagen und der zu öffnenden Oberlichter. Auch die Hallenbeleuchtung wurde in den Fachwerkkonstruktionen installiert. Zu Wartungszwecken und zur flexiblen, auch nachträglichen Installation von Eventequipment wurde in jedem der Hauptträger ein Wartungsgang vorgesehen, der über das Betonplateau betreten werden kann.
Innovative Technik für ressourcenschonenden Einsatz
Das Wasser aus dem Wildbach im Außenbereich wird über Nacht in einen unterirdischen Tank gepumpt. Durch die hervorragende Isolierung bleibt die Temperatur darin konstant – vergleichbar mit einer Thermoskanne. Durch ein Pumpensystem kann das Wasser am Folgetag problemlos in den „Wild River“ zurückgeführt werden.
Eine spezielle Filtertechnik sorgt dafür, dass rund 80 Prozent des Badeabwassers recycelt werden können. Lediglich 20 Prozent des täglichen Wasserbedarfs werden als Frischwasser zugeführt. Dieses wird wiederum durch zwei eigene Tiefbrunnen gefördert und aufbereitet.
Sonnenverwöhnte Region Südbadens
Beim Bau der Indoor-Wasserwelt Rulantica wurde eine Anlage mit 3.000 Solarmodulen installiert. Dieser Carport überdacht die Hälfte der Parkplatzfläche und liefert so nicht nur Ökostrom für den Eigenbedarf, sondern bietet außerdem eine Unterstellmöglichkeit für die Autos der Besucher. Die moderne Photovoltaikanlage erzeugt jährlich über 1,1 Millionen Kilowattstunden Strom. Zwei Blockheizkraftwerke bilden mit jährlich 15,5 Millionen Kilowattstunden Strom eine zuverlässige Grundversorgung für Rulantica.
Um bestehende Lebensräume der Tier- und Pflanzenwelt zu berücksichtigen und langfristig zu schützen, wurden auf dem Gelände 2.000 Bäume, 18.000 Wildsträucher und 60.000 Blumen gepflanzt, 158 Nistkästen angebracht, ein Wild- und Fledermauskorridor gebaut und ein Bienenpavillon mit acht Völkern angesiedelt.