Neuer Kunststoffrasen aus altem Plastik?

Anzeige von IAKS Mitglied FieldTurf

Neue Lösungsansätze auf Grundlage des Kreislaufwirtschaftsgesetzes

Autor:
Rolf Haas, Stellvertretender Vorsitzender IAKS Deutschland e.V.

Kontakt:
Kai Weber-Gemmel, FieldTurf, kai.weber-gemmel@tarkett.com

 

Kunststoffrasenplätze erfreuen sich bei Sportanlagen immer größerer Beliebtheit. ­Entscheidende Vorteile sind ihre sehr hohe Nutzungsintensität und die Witterungsunabhängigkeit. Bei der Auswahl eines neuen Kunstrasens rückt dabei die Frage in den Fokus: “Wie ‚grün‘ ist ein moderner Kunstrasen?“

 

FieldTurf, ein weltweit führender Hersteller von Kunststoffrasen, entwickelt gemeinsam mit dem Faserlieferanten Morton Extrusionstechnik neue Lösungen. Im Mittelpunkt der Klimaneutralität eines Kunststoffrasens steht die Frage, wie Erdöl als Rohstoff für die Kunstrasenfaser ersetzt werden kann. Mit dieser Herausforderung beschäftigt sich die Entwicklungsabteilung der Morton Extrusionstechnik in Abtsteinach. Durch die Zusammenarbeit mit TotalEnergies zeichnet sich eine Lösung ab: Pyrolyseöl als neuer Rohstoff.

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Geschreddeter Plastikabfall (Foto: TotalEnergies/Laurent Villeret)

Rohstoffliches Recycling – Advanced Recycling

Pyrolyseöl wird durch chemisches Recycling auch „Advanced Recycling“ genannt, von Kunststoffabfällen gewonnen. Das Ziel des Advanced Recyclings ist es, aus Kunststoffabfall einen Rohstoff für neue Kunststoffe herzustellen. So könnte Advanced Recycling eine der Lösungen für das globale Problem mit Kunststoffabfall sein.

2017 entstanden alleine in Deutschland rund 6,1 Millionen Tonnen Kunststoffabfall (Chemisches Recycling, Fraun­hofer Umsicht, 2020). Jeder Bundesbürger produziert im Jahr durchschnittlich 38 kg Kunststoff Verpackungsmüll – insgesamt rund 3 Millionen Tonnen (Spektrum der Wissenschaft, Oktober 2020).

Für die Verwertung dieser Kunststoffabfälle gibt es drei ­Möglichkeiten:

 

  1. Werkstoffliches beziehungsweise mechanisches Recyclen: Makromoleküle bleiben erhalten; als Produkt entstehen Recycling Kunststoffe.
  2. Rohstoffliches beziehungsweise Advanced Recyclen: ­Makromoleküle werden zerlegt; das Produkt sind Rohstoffe, aus denen neuer Kunststoff hergestellt kann.
  3. Energetische beziehungsweise thermische Verwertung: Makromoleküle werden verbrannt; als Produkt entstehen Energie, aber auch CO2.

Da Kunststoff vorwiegend aus fossilen Rohstoffen wie Erdöl, Erdgas oder Kohle hergestellt wird, hat er einen beachtlichen Energie- und Heizwert. Deshalb wird in Deutschland auch aktuell noch knapp die Hälfte des Kunststoffabfalls thermisch verwertet. Allerdings geht dadurch der Kunststoffabfall als Rohstoffquelle verloren. Die klimaschädlichen CO2-Emissionen beim Verbrennen sind enorm. Bei der Pyrolyse, einem Verfahren des Advanced Recyclings, werden die Makromoleküle des Kunststoffabfalls bei erhöhten Temperaturen (ab circa 300° Celsius) und unter Ausschluss von Sauerstoff gespalten. Das so gewonnene Pyrolyseöl ist ein hochwertiger Rohstoff für neue Kunststoffe.

Die SURETEC Faser

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Morton Extrusionstechnik entwickelte mit den Kunststoffen aus Pyrolyseöl von TotalEnergies eine neue Kunststoffrasenfaser: die SURETECTM Faser = Sustainable – Recycling – Technology – Faser.

 

Die innovative SURETEC Faser kann je nach Wunsch aus bis zu 100% Recycling-basiertem Kunststoff hergestellt werden und hat folgende Vorteile:

  • Sie schont Ressourcen: durch den Einsatz von Pyrolyseöl kann die endliche Ressource Erdöl eingespart werden,
  • reduziert CO2 Emissionen, da der Kunststoffabfall nicht verbrannt wird, sondern durch Advanced Recycling in ­Pyrolyseöl verwertet wird,
  • gewährleistet einen Kunststoffrasen in Neuwaren­qualität, da die Kunstrasenfaser aus Pyrolyseöl die gleichen Eigenschaften hat wie Produkte, die aus fossilen Rohstoffen hergestellt werden,
  • ist transparent zertifiziert: unabhängige Auditoren überwachen die ISCC Plus Zertifizierung (International Sustainability and Carbon Certification) und stellen so die Nachverfolgbarkeit des Recycling-Anteils im Produkt sicher (Masse-Bilanz-Ansatz). Alle Standorte der Lieferkette, angefangen bei der Pyrolyseanlage über die Kunststoffherstellung und Faserherstellung bis zur Kunstrasenproduktion müssen ISCC Plus-zertifiziert sein und werden von unabhängigen Zertifizierungsstellen überwacht.

 

Ein erstes Pilotprojekt mit der SURETEC Faser realisierte FieldTurf in Rotterdam. Derzeit befinden sich weitere Projekte in mehreren europäischen Städten, darunter in Hoffenheim und Augsburg in der Abwicklung.

Im Interview: Jean Viallefont

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Jean Viallefont, Vice-President Polymers Europe and Orient, ­TotalEnergies

TotalEnergies ist ein globales Multi-Energie-Unternehmen, das neben der Energieerzeugung auch Kunststoffe produziert und liefert. Mit über 105.000 Mitarbeitern in über 130 Ländern engagiert sich TotalEnergies für eine nachhaltige Entwicklung. Bei seiner Kunststoffproduktion im Herzen Europas setzt ­TotalEnergies in der Zukunft auf Advanced Recycling von europäischen Kunststoffabfällen. So wird TotalEnergies an seinem Standort Grandpuits bei Paris gemeinsam mit dem Partner Plastics ­Energy zunächst eine Anlage für das Advanced Recycling von jährlich 15.000 Tonnen Plastikabfall installieren. Den Anteil an Kunststoffprodukten auf Basis recycelter Materialien will TotalEnergies bis zum Jahr 2030 auf 30 % erhöhen.

Es gibt Stimmen, die von 10 bis 20 Jahren ausgehen, bis Advanced Recycling Marktreife erlangt. Stimmt das?

Bereits heute betreiben wir mit unseren Partnern Pilotanlagen zur Herstellung von Pyrolyseöl aus Kunststoffabfällen und setzen dieses erfolgreich in unseren Produktionsanlagen zur Kunststoffherstellung ein. So können wir Morton Extrusionstechnik bereits heute Polyethylen auf Basis von chemischem Recycling für die Faserherstellung und Installation von Pilotfeldern zur Verfügung stellen. Unsere Pyrolyseanlage am Standort Grandpuits (Frankreich) werden wir in 2023 fertigstellen.

 

Wie umweltfreundlich ist Advanced Recycling?

Viele Kunststoffabfälle bestehen aus einem Verbund von verschiedenen Kunststoffarten. So gibt es beispielsweise Folien, bei denen mehrere Schichten aus verschiedenen Materialien miteinander verbunden sind. Ohne Advanced Recycling wäre es sehr schwierig, eine hochwertige Anwendung für diese Abfälle zu finden, so dass nur die Verbrennung bliebe. Damit trägt diese Technologie zu einer erhöhten Recyclingrate von Kunststoffabfällen und unterm Strich zur Reduktion von Treibhausgasemissionen bei.

Sie verwenden Kunststoffabfälle als Rohstoff. Ist zu erwarten, dass dadurch Kunststoffprodukte und Kunstrasen kostengünstiger werden?

Wir arbeiten mit Hochdruck am Ausbau des Advanced Recyclings. Dazu gehören die Schaffung der notwendigen Infrastruktur und hohe Investitionen in neue Anlagen, in denen die Abfälle in Pyrolyseöl umgewandelt werden.

In unserer zukünftigen Anlage in Grandpuits werden wir bis 2023 insgesamt mehr als 500 Millionen Euro investieren, um nachhaltigere Kunststoffe, aber auch neuartige Kraftstoffe und Solarenergie vor Ort zu produzieren. Daher ist damit zu rechnen, dass die Kosten für Kunststoffprodukte, die über diese Zukunftstechnologien hergestellt werden, in den nächsten Jahren zunächst höher liegen als bei Rohöl-basierten Produkten. Eine Investition in die nachhaltige Gestaltung unserer Zukunft.

Im Interview: Dr. Cornelia Röger-Göpfert und Eric Daniel

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Dr. Cornelia Röger-Göpfert, Geschäftsführerin der Morton Extrusionstechnik

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Eric Daniel, General Manager FieldTurf Western-Europe

Warum treiben Morton Extrusionstechnik und FieldTurf die Entwicklung der SURETECTM Faser so intensiv voran?

Eric Daniel:

Der Kunststoff Polyethylen ist für Kunstrasenfasern der wichtigste Rohstoff. Es ist uns bewusst, dass unsere Produkte nur dann eine Zukunftsberechtigung haben, wenn wir sie ressourcenschonend und klimaneutral gestalten. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist dabei der Rohstoff für das Polyethylen.

 

Hat Pyrolyseöl als Rohstoff für die Faser ­Qualitätsnachteile?

Dr. Cornelia Röger-Göpfert:

Nein, gar keine. Das Pyrolyseöl aus Kunststoffabfällen durchläuft den gleichen Produktionsprozess wir bisher die petrochemischen Einsatzstoffe, daher ist auch das Endprodukt absolut identisch. Das ist ein großer Vorteil, wenn wie bei unseren Sportkunstrasenfasern eine hohe Erwartung an Qualität und Langlebigkeit bestehen.

 

Kann ein Bauherr in seiner öffentlichen Ausschreibung einen Kunststoffrasen fordern, der aus Kunststoff Rezyklat besteht?

Eric Daniel:

Das wird in Kürze möglich sein, Pilotprojekte sind bereits jetzt realisierbar. Eine Garantie, dass tatsächlich Kunststoff aus Advanced recyceltem Material enthalten ist, liefert zum einen die ISCC Plus Zertifizierung des Kunstrasenproduzenten und zum zweiten die Nachhaltigkeitserklärung („Sustainability Declaration“) nach ISCC Plus für den gelieferten Kunststoffrasen, in der sowohl Herkunft als auch Anteil des recycelten Materials angegeben sind.

 

Gibt es auch andere Lösungen als Advanced Recycling?

Dr. Cornelia Röger-Göpfert:

Wir haben uns intensiv damit auseinandergesetzt, womit das Erdöl als Rohstoff für unsere Produkte ersetzt werden kann. Kunststoffe aus pflanzlichen Rohstoffen werden bereits seit längerem angeboten, doch wir haben uns bewusst dagegen entschieden. Wir wollen nicht zu einer erhöhten Nachfrage bestimmter pflanzlicher Rohstoffe wie Zuckerrohr beitragen, da wir fürchten, damit den Ausbau von Monokulturen, den Verlust von Biodiversität und indirekt die Abholzung von Regenwald zu fördern. Das kann nicht klimafreundlich sein.

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Vollständige Zertifizierung der Lieferkette nach ISCC Plus

Mechanisches Recycling

Morton Extrusionstechnik und FieldTurf nutzen auch die Chancen des mechanischen Recyclings. Besonders geeignet ist dafür eine Faser mit einer Kern-Mantel-Struktur. Sortenreine und gereinigte Kunststoffabfälle werden mechanisch recycelt und dabei im Faserkern eingebaut. Das patentierte Herstellverfahren und die besondere Faserstruktur sorgen dafür, dass die Kunstrasenfaser mit mechanisch recyceltem Kern die gleiche hohe Querfestigkeit und Zugfestigkeit aufweist wie eine Kunstrasenfaser, die ausschließlich aus Erdöl-basiertem Kunststoff hergestellt wurde.