KO Kindergarten & Nursery in Matsuyama, Japan

Spielen lernen

veröffentlicht in sb 1 2020

Die Bedeutung der lateinischen Redewendung „Mens sana in corpore sano” (in der Regel übersetzt als „Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper“) war selten so bedeutsam wie in der heutigen Gesellschaft. Die frühe Kindheit ist die Lebensphase, in der die Gewöhnung an einen aktiven Lebensstil am besten funktioniert. Der Bewegungsraum im KO Kindergarten & Nursery – entworfen von den Architekten von HIBINOSEKKEI gemeinsam mit Youji no Shiro und KIDS DESIGN LABO – basiert auf dem Konzept „Gesundheit durch Spielen“.

Matsuyama ist die größte Stadt auf der japanischen Insel Shikoku und die Hauptstadt der Präfektur Ehime. Der KO Kindergarten & Nursery wurde an dem Standort errichtet, an dem sich zuvor das alte, in die Jahre gekommene Kindergartengebäude befand. Der Verkehr in den Straßen der Stadt hat deutlich zugenommen. Selbst im frühen Kindesalter werden die Kleinen mit dem Auto zum Kindergarten gebracht oder müssen den Bus nehmen. Sie haben weniger Gelegenheit, zu Fuß zu gehen und bewegen sich in ihrem Alltag nur wenig. Zuhause spielen Kinder immer häufiger mit elektronischen Geräten statt in einer natürlichen Umgebung, die ihnen vielfältige Möglichkeiten bieten würde, ihre eigenen Spiele zu erfinden. Deshalb folgte der Neubau des KO Kindergarten & Nursery dem Konzept „Gesundheit durch Spielen“.

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photo: Ryuji Inoue (studio BAUHAUS)

Gut zu wissen

KO Kindergarten_pool_sb 1 2020_Ryuji Inoue

Foto: Ryuji Inoue (studio BAUHAUS)

Standort
Matsuyama, Ehime, Japan

Bauherr/Betreiber
KO Kindergarten

Architekten
HIBINOSEKKEI
JP-Kanagawa
www.hibinosekkei.com

Youji no Shiro
www.e-ensha.com

Mobilar und Einbauten
KIDS DESIGN LABO
www.kidsdesignlabo.com

Autor
Kaho Hayakawa

Fotos
Ryuji Inoue (studio BAUHAUS)

Offizielle Eröffnung
2019

Bewegungsraum im Zentrum

KO Kindergarten_entrance hall_sb 1 2020_Ryuji Inoue

Foto: Ryuji Inoue (studio BAUHAUS)

Das Planungsteam verlagerte die Räumlichkeiten in der Horizontalen und Vertikalen. Personalraum und Kleinkindbereiche befinden sich nun am Rande des Gebäudes, sodass im Zentrum freie Flächen entstanden. Hier wurden 14 unterschiedliche individuelle Spielbereiche entworfen, die an Straßen erinnern. In der Vergangenheit spielten Kinder in den Straßen von Matsuyama und erfanden ganz frei viele individuelle Spiele. Als Folge des zunehmenden Automobilverkehrs ist diese lokale Szenerie verschwunden. Um sie wieder lebendig zu machen und die Kinder zu aktivem Spielen anzuregen, wurden die 14 „Spielstraßen“ entwickelt.

Jedem der Spielbereiche liegt ein individuelles Konzept mit eigenem Namen zugrunde, zum Beispiel „Windpfad“, „Katzenweg“, „Geheimversteck“, „Nachbarshaus“, „Kletternetzbaum“, „Rutschhang“ oder „Bällebad“. Kinder mögen nicht nur weitläufige Flächen, um aktiv zu spielen, sondern benötigen auch geschlossenere Räume, um sich verstecken und im Geheimen spielen zu können. Daher sind einige Spielbereiche großzügiger, andere hingegen intimer gehalten, damit die Kinder ihren kreativen Spielsinn entwickeln können.

Wissenschaftlich fundiertes Konzept weist gesünderes Verhalten nach

Die Gestaltung der 14 Spielbereiche basiert auf erziehungswissenschaftlicher Forschung. Nach Aussage von Kazuhiko Nakamura, Professor der Erziehungswissenschaft an der Yamanashi-Universität in Japan, sollen Kinder im Laufe ihrer Kindheit 36 Körperbewegungen erlernen, zum Beispiel „laufen“, „springen“, „stapeln“, „schieben“, „schwimmen“ und „halten“. Das Planungsteam stellte sicher, dass alle 36 Bewegungsabläufe in den Spielbereichen des KO Kindergarten & Nursery erlernt werden können. Beim Spielen im Bällebad etwa können Kleinkinder „werfen“, „fangen“, „schwimmen“ und „aufheben“. Im Kletternetzbaum können die Kinder „hängen“, „rutschen“, „durchgehen“, „klettern“ und „halten“. Wenn Kinder eine bestimmte Sportart praktizieren, erlernen sie nur wenige Bewegungen. In den sorgsam durchdachten Spielbereichen hingegen werden viele Arten von Bewegung ganz von selbst während des Spielens erlernt.

KO Kindergarten_bathroom_sb 1 2020_Ryuji Inoue

Foto: Ryuji Inoue (studio BAUHAUS)

KO Kindergarten_outside_sb 1 2020_Ryuji Inoue

Foto: Ryuji Inoue (studio BAUHAUS)

Eine Vergleichsstudie zum Bewegungsverhalten der Kinder im alten und im neuen Kindergarten (durchgeführt von Masato Nishimura, Professor der Fukui-Universität in Japan) ergab, dass sich die Anzahl der Schritte bei Kindern zwischen drei und fünf Jahren um durchschnittlich 20 Prozent erhöht hat. Im alten Gebäude konnten die Wissenschaftler keine Bewegungen wie „werfen“, „durchgehen“, „kriechen“ und „rutschen“ feststellen – im Neubau hingegen schon! Der ebenerdige Spielplatz im alten Gebäude schränkte das Bewegungspotenzial ein, der neue ­hingegen umfasst zwei Naturrasenhügel. Die Kinder lieben es, sich von diesen Hügeln herunterrollen zu lassen und wieder hochzuklettern. Sie entdecken natürliche Räume im Freien – mit vorbeifliegenden Vögeln, Insekten und blühenden Blumen.

Die Architektur trägt so zu einem gesünderen Leben bei. Die Spielräume animieren die Kinder zu ­diversen physischen Aktivitäten. Nicht nur die körperliche Aktivität der Kinder und ihre physische Stärke wurden gesteigert, sondern die neue Umgebung fördert auch das kreative Spielverhalten, indem die Kinder eigene Spiele erfinden und die Entwicklung vielfältiger Inte­ressen angeregt wird.

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