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Spielräume im Fokus
IAKS Interview

Claudia Neumann, Bündnis Recht auf Spiel

Claudia Neumann

Bündnis Recht auf Spiel
Claudia Neumann
Bündnis Recht auf Spiel

Claudia Neumann ist Abteilungsleiterin der Kinder- und Jugendbeteiligung und Referentin für Spiel und Bewegung beim Deutschen Kinderhilfswerk e. V.. Unter dem Slogan “Recht auf Spiel – jederzeit & überall“ setzt sie sich für eine kinderfreundliche, beteiligungsorientierte Stadtentwicklung ein, die ein möglichst eigenständiges Spiel zulässt.

Claudia Neumann

Deutsches Kinderhilfswerk e.V.
V.i.S.d.P. Holger Hofmann (Bundesgeschäftsführer)
Leipziger Straße 116-118
10117 Berlin

 

Fon: 030 - 30 86 93-0
Fax: 030 - 30 86 93 93

E-Mail: spielraum@dkhw.de
Web: www.dkhw.de

 

Weitere Informationen:

www.weltspieltag.de

www.recht-auf-spiel.de

https://www.dkhw.de/schwerpunkte/spiel-und-bewegung/studie-raum-fuer-kinderspiel/

Frau Neumann, warum ist das Spielen so wichtig?

Spielen ist ein Grundbedürfnis. Es gehört zu einer gesunden Entwicklung von Kindern dazu. Kinder haben von Geburt an einen Spieltrieb, der sie dabei begleitet, die Welt zu entdecken. Die Nachahmung von Erwachsenen, das Austesten des eigenen Körpers, die Gesetzmäßigkeiten der Natur – all diese Dinge erfahren Kinder im Spiel.

Was fordern Sie als Bündnis Recht auf Spiel?

Wir fordern gemeinsam mit vielen anderen Akteuren, dass dem Recht auf Spiel - so wie es in der UN-Kinderrechtskonvention steht und auch von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert ist – mehr Gehör und Aufmerksamkeit geschenkt wird. Auch in Deutschland ist es nämlich noch längst nicht so, dass Kinder so spielen und sich bewegen können, wie sie es brauchen. Da gibt es in vielerlei Hinsicht Defizite und eine Menge Handlungsbedarf. Mit dem Weltspieltag und dem diesjährigen Motto „Lasst uns (was) bewegen!“ möchten wir versuchen, das Thema in den Fokus zu rücken und den Defiziten entgegenzutreten. Momentan beschäftigen uns natürlich auch die Auswirkungen der pandemiebedingten Einschränkungen auf das Spielen. Es ist sehr wichtig, dass Kinder auch in Pandemiezeiten ausreichend Bewegungs- und Spielmöglichkeiten haben. Die Pandemie ist wie in vielen Bereichen ein Brennglas auf Defizite, die schon vorher da waren und nun verstärkt ins Gewicht fallen. Wenn wir uns anschauen, wie unsere Städte aussehen und welche Räume den Kindern zum Spielen zur Verfügung stehen, dann merken wir, dass an vielen Stellen nachgebessert werden müsste.

Wie sollte ein guter Spielraum insbesondere im urbanen Kontext aussehen?

Ein guter Spielraum sollte möglichst eigenständig und sicher erreichbar sein. Kinder sollten nicht darauf angewiesen sein, von ihren Eltern begleitet zu werden. Im Optimalfall treten Kinder vor die Haustür und können direkt mit dem Spielen beginnen. Wichtig ist auch, dass zufällige Begegnungen stattfinden können, Kinder sicher durch ihr Viertel streifen können und auf potenzielle Spielkameraden treffen. Dazu gehören dann natürlich infrastrukturelle Anpassungen, wie sichere Radwege, übersichtliche Fußgängerwege und so weiter. Insgesamt sollte ein sehr vielseitiges Angebot an Spielmöglichkeiten vorhanden sein. Der klassische Spielplatz mit Schaukel und Wippe gehört genauso dazu wie Spielräume, die verschiedene Nutzungsformen, Toberaum und zugleich Rückzugsort sein können. Außerdem sollte eine naturnahe Gestaltung des Spielumfeldes nicht außer Acht gelassen werden. Bäume, Baumstämme, Büsche und Hügel eignen sich zum Beispiel sehr als Spielflächen.

Natürlich müssen auch die verschiedenen Altersgruppen beachtet werden. Kindern, die zu alt für den klassischen Spielplatz und zu jung für den Jugendclub sind, sollte ein angemessener Spielraum zur Verfügung stehen. Die große Herausforderung ist, eine Umgebung zu schaffen, in der sich kleine Kinder bis hin zu Jugendlichen sicher und wohl fühlen. Aus unserer Sicht kann das mit einem vielseitigen, bunten Netz an Spiel- und Beschäftigungsmöglichkeiten im unmittelbaren Wohnumfeld, naturnahen Räumen, der Schaffung von (temporären) Spielstraßen, spielfreundlichen Marktplätzen und Fußgängerzonen erreicht werden.

Gibt es zu diesem Thema Paradebeispiele in Deutschland, wo diese Punkte umgesetzt wurden?

Es gab vor einigen Jahren viel Aufmerksamkeit für die Stadt Griesheim, die als „bespielbare Stadt“ bekannt wurde. Ansonsten gibt es eher Städte, die in einzelnen Bereichen hervorragend aufgestellt sind. Berlin zum Beispiel ist beim Thema temporäre Spielstraßen ganz weit vorne. Das wurde durch die Pandemie und die geschlossenen Spielplätze nochmal verstärkt. In Bremen geht es zum Beispiel darum, zusätzlich zu den öffentlichen Spielplätzen in Kooperation mit privaten Initiativen weitere Spielgelegenheiten im öffentlichen Raum zu schaffen. Da geht es dann etwa um kleine Spielflächen im Straßenbegleitgrün, punktuelle Spielgelegenheiten. Auch Stuttgart ist durchaus eine Kommune, die sich sehr bemüht. Auch dort wurden temporäre Spielstraßen eingerichtet, die Bewegungsförderung steht dort ganz weit oben auf der Agenda. München ist ein weiteres Beispiel für Großstädte, die trotz verdichteter Innenstadt darauf achten, das Spielen im urbanen Raum zu ermöglichen. Auch, wenn dort in der Raumgestaltung nicht alles möglich ist, versucht die Kommune Alternativen zu finden und Spielgelegenheiten vielfältiger Art zu schaffen. Spielräume müssen nicht immer große und aufwendige Spielplätze sein. Manchmal genügen schon kleine oder auch temporäre Spielgelegenheiten, die in das urbane Zentrum integriert werden.

Die Grundvoraussetzungen für die Förderung des Spielens sind eine gute Konzeption und Planung, die Spielräume regelmäßig und kontinuierlich in den Blick zu nehmen. Leider machen das aber noch nicht alle Kommunen so, wie wir uns das vorstellen. Das Problem besteht auch darin, dass das Thema ein Querschnittsthema ist. Die kindliche Welt des Spielens betrifft auf der Verwaltungsebene den Bildungsbereich, den Bereich der Stadt- und Verkehrsplanung, den Gesundheitssektor und den Sport. Da kann es natürlich schnell passieren, dass Verantwortlichkeiten nicht klar voneinander zu trennen sind – da müssen alle gemeinsam agieren.

Inwiefern ist die Schaffung von guten Spielräumen durch den wachsenden Medienkonsum bei Kindern ein besonders wichtiges Anliegen?

Dass Kinder wegen des gestiegenen Medienkonsums  - v.a. auch jetzt während des Lockdowns - weniger rausgehen, ist sicherlich ein Problem. Mit steigendem Alter werden andere Dinge einfach interessanter als der Spielplatz. Häufig sind es aber schlicht die fehlenden Alternativen, die dafür sorgen, dass Kinder weniger raus gehen. Digitale Lösungen sind häufig die einfachere und auch attraktivere Lösung, sich zu beschäftigen, wenn vor der Haustür kein adäquater Spielraum vorzufinden ist.

Wir haben vor einigen Jahren die Studie „Raum für Kinderspiel!“ herausgegeben, die das klare Ergebnis hatte, dass Kinder, die Spielmöglichkeiten in ihrem Wohnumfeld vorgefunden haben, diese auch trotz digitaler Alternativen aufgesucht haben. Kinder in stark verdichteten Wohngegenden mit wenig Spielmöglichkeiten hingegen, haben den fehlenden Spielraum häufig mit digitalen Spielen kompensiert. Es gilt also, vielseitige Alternativen zu schaffen, die dem Spieltrieb der Jüngsten unserer Gesellschaft gerecht werden.

Interview: Arne Weise, IAKS Deutschland

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