Masterplanung im Bäderbau

Durch zielgerichtete Fragen die notwendigen Schritte einleiten

 

Herr Höfler, welche Bedeutung messen Sie einem Masterplan bei?

Bei der Masterplanung überlegen wir gründlich vorab, was in den nächsten Jahren passieren soll und wird – wir berücksichtigen nicht nur den nächsten Bauabschnitt, sondern auch kommende Schritte. Eine selbst entwickelte Roadmap hilft uns dabei, an alles zu denken und den Prozess zu standardisieren.

Sacker Architekten bietet die Masterplanung für den Industriebau. Was unterscheidet die Masterplanung im Bäderbau davon?

Grundsätzlich ist die Vorgehensweise dieselbe. Die Fragen, die sich stellen, sind jedoch unterschiedlich. Eine Marktanalyse, Überlegungen zum Einzugsgebiet und den Wünschen der Kunden – all das sollte es immer geben. Bei Bädern lautet die Fragestellung zudem: Welche Ausrichtung soll das Bad künftig haben? Soll es ein Sportbad bleiben oder ein Familienbad werden? All das sind Fragen, die zu Beginn eines Masterplans im Bäderbau gestellt werden.

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Christopher Höfler (rechts), Geschäftsleitung Sacker Architekten

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(Foto: Roland Halbe) Hallen- und Freibad Bretten

Wie bewerten Bauherren derart grundsätzliche Fragen?

Wenn wir explizit für eine Masterplanung angefragt werden, ist dem Auftraggeber im Vorfeld bewusst, dass es um sehr grundsätzliche Dinge gehen wird. Manchmal werden wir aber auch gefragt, an einer bestimmten Stelle eine Erweiterung zu realisieren. Dann kommen diese grundsätzlichen Fragen natürlich etwas überraschend. Nicht allen Bäderbetreibern ist bewusst, dass die Masterplanung diese aufwirft. Man benötigt schon entsprechend Zeit, um Antworten darauf zu finden.

Masterplanung bedeutet, in Varianten zu denken. Wie viele sind notwendig, um auf ein gutes Ergebnis zu kommen?

Das ist sehr aufgabenabhängig. Es gibt immer verschiedene Möglichkeiten, ans Ziel zu kommen. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass jede sinnvolle Alternative durchdacht, aufgezeigt und bewertet wird. Das erleichtert die Entscheidungsfindung ungemein. Je weiter der Prozess voranschreitet, desto mehr Varianten fliegen aus dem Rennen – und irgendwann haben wir die gefunden, welche die meisten Vorteile bietet.

Stößt ein solches Vorgehen auch einen Prozess beim Bauherren an?

Oft ist es tatsächlich so, dass Bauherren sich noch nicht so intensiv mit der Frage beschäftigt haben, wie es langfristig weitergehen soll. Außerdem denken sie logischerweise in ihren Strukturen. Unsere Aufgabe ist es dann, unkonventionelle Lösungen zu finden, indem wir querdenken. Wir kommen von außen und wissen vieles nicht. Dadurch stellen wir viel mehr in Frage – manchmal sogar die letzte Erweiterung.

 

Ist die Masterplanung im Bäderbau besonders herausfordernd?

Die baulichen Gegebenheiten sind viel fixierter als zum Beispiel im Industriebau. Man legt fest, wo das Kombibecken oder der Kinderplanschbereich liegen. So meißelt man die Organisation des Bades förmlich in den Rohbau, sodass sich das schwer umorganisieren lässt. Auch die Tendenz, wohin sich das Bad in den nächsten Jahren entwickeln soll sowie veränderte Bedürfnisse der Badegäste müssen geklärt werden. Immerhin sind die Bäder, die saniert werden sollen, in der Regel zwischen 30 und 40 Jahre alt: In dieser Zeit verändert sich vieles – darauf sollte man reagieren. Bei Erweiterungen ist es oft so, dass es zusätzliche Attraktionen geben soll, um das Bad wieder konkurrenzfähig zu halten.

Welche Fragestellungen haben Sie dabei im Blick?

Wenn wir die Masterplanung für ein Hallenbad oder ein Freibad machen, muss immer bedacht werden, ob daraus ein Kombibad entstehen könnte. Außerdem: Gibt es mehrere Standorte, die man zusammenlegen muss oder kann? Wird aus drei Hallenbädern eines, aber dafür ein richtig Großes? Und kann dafür vielleicht an einem Standort ein neues Wohngebiet entstehen? Entspricht die Bausubstanz des bestehenden Bades noch den bauphysikalischen Anforderungen? Falls nicht, ist die Konsequenz fast immer ein Rückbau auf den Rohbau. Immerhin ist der Bäderbau bauphysikalisch gesehen eine der größten Herausforderungen in der Architektur. Wer holt sich schon freiwillig so viel Wasser ins Innere des Gebäudes?

Welche Kriterien legen Sie diesen Entscheidungen zugrunde?

Das ist sehr individuell. Zum Beispiel geht es um das Einzugsgebiet, die Erreichbarkeit mit dem Öffentlichen Personennahverkehr, den baulichen Zustand der einzelnen Bäder und vieles mehr. Da müssen wir uns jedem Projekt ganz offen und grundlegend nähern. Bei Bädern stellt sich aber eigentlich immer die Frage, ob der laufende Betrieb erhalten werden kann, wenn saniert oder erweitert wird. Das ist eine sehr große Herausforderung.

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Foto: Hallen- und Freibad Bretten

Ist Ihnen das schon einmal gelungen?

Ja, das Keidel Mineral-Thermalbad in Freiburg war so ein Fall, der auch ziemlich aufwendig war. Wir haben im Jahr 2000 einen Masterplan erstellt und dafür untersucht, wie das Bad in seiner Attraktivität kontinuierlich entwickelt und baulich erweitert werden kann. Dieser Masterplan wurde dann bis 2011 in mehreren Bauabschnitten bei laufendem Betrieb weitgehend umgesetzt – zuerst die Sanierung von Foyer und Sauna-Bistro sowie der Neubau der Sauna am Naturbadesee, dann der Umkleidebereich, der Außenbereich mit Neubau eines Wellness-Außenbeckens, später das Restaurant und zuletzt die Badehallen sowie die Sanierung und Erweiterung von Sauna und Therapiebereich. Da die Umkleiden innenliegend sind, musste die Baulogistik beim zweiten Bauabschnitt komplett über den Deckenbereich erfolgen. Das war spannend.

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(Foto: Thomas Dix) Keidel Mineral-Thermalbad in Freiburg

Was wurde konkret verändert?

Zum Beispiel wurden die zwei bestehenden, getrennten Außenbecken mit einem neuen, dazwischen liegenden Wohlfühlbecken verbunden. Badegäste müssen dadurch nicht mehr bei Wind und Wetter durchs Freie laufen, um das Schwimmbecken zu erreichen, sondern gelangen schwimmend in alle drei Außenbecken. Die beiden Warmwasserpools haben eine offene Wasserverbindung zum umliegenden Becken – eine technische Innovation, die sich bewährt.

Können bei dieser Planungsart Kosten eingespart werden?

In vielen Fällen ja, vor allem auf lange Sicht. Zum Beispiel kann man Rückbaumaßnahmen verhindern, indem alles von Anfang an durchdacht wird. Auch Personalkosten lassen sich, gerade beim Bäderbau, durch sinnvolle Schritte einsparen. Synergieeffekte spielen in vielerlei Hinsicht eine Rolle. Und für mein Empfinden ist es auch ein Nachhaltigkeitsauftrag, dass alles, was geplant wird, möglichst lange Bestand hat, um mit der grauen Energie, die verwendet wird, veranwortungsvoll umzugehen. Beim Hallen- und Freibad Bretten haben wir auch einen Masterplan angefertigt, bevor es mit dem Bauen losging. Hallen- und Freibad befinden sich zwar auf dem gleichen Grundstück, es gab aber früher keine direkte Verbindung. Wir haben uns dann überlegt, wie man daraus ein Kombibad machen kann – und so nur eine Infrastruktur braucht und zum Teil auch am Personal sparen kann. Beim ersten Bauabschnitt haben wir dann das Freibad saniert und die Anbindung zum Hallenbad geschaffen. Beim zweiten Bauabschnitt wurde erweitert, und beim dritten das Hallenbad saniert.

Was reizt Sie an der Masterplanung?

An dieser Stelle zitiere ich gerne Detlef Sacker, der immer wieder die Frage stellt: „Wie muss es EIGENTLICH sein?“ Vor diesem EIGENTLICH darf man in der Masterplanung nicht zurückschrecken. Im Gegenteil, das macht sie aus. Die Masterplanung funktioniert im Grunde wie eine normale Planung vom Großen ins Kleine – nur fängt man viel höher an zu fliegen. Die Auswirkung von Entscheidungen auf ein Projekt nehmen ja bekanntlich mit zunehmender Detailliertheit in der Planung ab. Und genau das macht den Reiz aus. Man macht sich Gedanken zu ganz grundsätzlichen und strategischen Dingen wie dem Standort oder dem Nutzungskonzept. Und damit ist die Bedeutung der Entscheidung entsprechend groß.