Auf Spur
veröffentlicht in sb 4/2020
Die meist befahrene Bahnstrecke von Melbourne wurde mit einem Budget von 1,6 Mrd. AUD umgestaltet. ASPECT Studios entwickelte eine Hochbahnlösung für diese Schienentrasse. Durch den Wegfall von neun Bahnübergängen entlang der Bahnstrecke entstand neuer öffentlich nutzbarer Raum, der unter den Gleisanlagen zusätzliche Nutzungsoptionen für die Bevölkerung eröffnet. Durch die Anhebung der Bahnstrecke entstanden Freiräume, Parkanlagen und neue öffentliche Flächen mit einer Größe von 11 Fußballfeldern sowie 17 km Fuß- und Radwege.
Durch die Freiraumentwicklung entlang der Bahnstrecke gelang eine umfassende Umgestaltung und Neuverbindung der angrenzenden Stadtviertel und ihrer Bewohner. Neun gefährliche Bahnübergänge wurden durch fünf erhöht angeordnete Haltestellen an einem der meist befahrenen Verkehrskorridore von Melbourne ersetzt. Durch die Anhebung der Bahngleise und Haltestellen bot sich die Möglichkeit, einen großflächigen Bereich des Stadtgebiets in einen neuen linearen Park umzuwandeln.Auch wenn das ursprüngliche Projektziel in der Anhebung der vorhandenen Bahngleise und im Wegfall der Bahnübergänge lag, eröffneten sich durch die Konzentration auf die Schaffung neuen öffentlichen Raums viele zusätzliche Nutzungsoptionen und neue Verbindungen für die Bevölkerung.
Jahrzehntelang hatte die Bahnstrecke das Stadtgefüge in zwei Teile zerschnitten. Ergebnis waren mehr Staus, fehlende Verbindungen zwischen Stadtvierteln und Bewohnern sowie Hindernisse bei der Einführung neuer Bahnangebote. Neben der Verbindung der Stadtviertel und Bewohner entstanden 22,5 Hektar Freiraum, Parkanlagen und neue öffentliche Flächen sowie 17 km neu angelegte Fuß- und Radwege.
Gut zu wissen
Standort
Melbourne VIC, Australien
Bauherr/Betreiber
Level Crossing Removal Authority,
Lendlease, CPB
Entwurfsarchitekten
ASPECT Studios
AU - Melbourne VIC 3000
www.aspect-studios.com
Architekten
Cox Architecture
AU - Melbourne VIC 3000
www.coxarchitecture.com.au
Key consultants
Aurecon, WSP,
Double-A Communications, John Rayner
Autor
ASPECT Studios
Fotos
Peter Bennetts Photography
Peter Clarke
Offizielle Eröffnung
2019
Baukosten
1,6 Milliarden AUD (973 Millionen EUR)
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Aktivierungsknoten für die lokale Bevölkerung
Die drei neuen linearen Parkabschnitte, die im Zuge der Projektumsetzung angelegt wurden, umfassen sogenannte „Aktivierungsknoten“ für die lokale Bevölkerung. Sie reichen von kleinen Bereichen für lokale Treffen mit Fitnessgeräten, Fahrradreparatur-Stationen, Sitzgelegenheiten und Bepflanzung bis hin zu Spielplätzen, Picknickarealen, Feuchtzonen, Hundewiesen und größeren Gemeinschaftsflächen für Sport (Basketballfelder, Parkour-Ausrüstung), Skating und Klettern. Diese Knoten sind attraktive, sichere und regelmäßig gewartete Orte für die Gemeinschaft.
Standortspezifischer Charakter
Der Park erscheint als harmonisches Ganzes, die einzelnen Bereiche gehen fließend ineinander über, jede einzelne Haltestelle hat jedoch ihren individuellen Anstrich, der den Charakter des jeweiligen Stadtviertels widerspiegelt. Das ist identitätsstiftend und wirkt sich auf die Akzeptanz des Projektes aus. Stadtviertel und Bewohner werden zusammengeführt, die vorher durch die Bahnstrecke getrennt waren.
An den Bahnhöfen bot sich die Chance, den einzelnen Stadtvierteln ein neues Zentrum zu geben. Zwar vereint eine einheitliche Architektursprache die einzelnen Haltestellen, doch die Gestaltung des öffentlichen Raums reflektiert den jeweils lokalen Charakter. Die Haltestellen wurden als multimodale Verkehrsknotenpunkte konzipiert, einschließlich Umsteigemöglichkeiten zwischen Bus, Bahn und Individualtransport sowie einer Förderung des Fuß- und Radverkehrs. Jeder Bahnhof verfügt über einen einladend gestalteten Vorplatz für die lokale Bevölkerung als Schlüsselkomponente eines neuen Zusammengehörigkeitsgefühls.
Sitze aus Stahlbindern
Die Wiederverwendung von Artefakten aus der jüngsten Vergangenheit für Sitzmöbel und Pflanzkübel ist nicht nur nachhaltig, sondern prägt auch den Charakter der Haltestellen. Stahlelemente aus den zurückgebauten Bahnhöfen wurden zu Bumerang-förmigen Sitzen umgebaut. Ehemalige Bahnschwellen begrenzen die Beete und markieren den ursprünglichen Verlauf der Bahnstrecke.
Der Entwurf verlangte danach, das Erscheinungsbild und die Funktion von Gleisanlagen und Bahnhöfen neu zu denken. Dies erforderte umfassende Studien, eine Ermittlung und Evaluierung der verfügbaren Optionen sowie Überzeugungsarbeit. Vor diesem Hintergrund wurden umfassende Konsultationen der Öffentlichkeit durchgeführt, um mittels Bürgerbeteiligung echten, konstruktiven Input zu generieren und das Ergebnis maßgeblich zu beeinflussen. So wurde die angehobene Gleisanlage zu sehr viel mehr als einer bloßen Bahnstrecke.