Ariake Gymnastics Centre: Kunstturnhalle in Tokio, Japan

Leseprobe aus sb Heft 5/2021
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veröfffentlicht in sb Heft 5/2021

 

Das Ariake Gymnastics Centre wurde für eine doppelte Funktion entworfen: ­Zunächst diente es als temporäre Anlage für die Olympischen und Para­lympischen Spiele 2020 in Tokio. Nach den Spielen und dem Abbau der Zuschauer­tribünen erfolgt die Umwandlung in eine ständige Ausstellungshalle. Im Gegensatz zu den massiven Stahl- und Betonkonstruktionen früherer Tage entwarfen Nikken Sekkei und Shimizu Corporation eine leichtere und gefälligere Anlage, die sich harmonisch in die natürliche Umgebung einfügt.

 

Weitläufiger öffentlicher Raum mit geschütztem Außenbereich

Der Standort befindet sich inmitten einer weitläufigen offenen Landschaft entlang eines Kanals an der Bucht von Tokio. Gleichzeitig musste die benachbarte Wohnbebauung mit mittelhohen und hohen Wohntürmen berücksichtigt werden. Lange, fließende horizontale ­Linien wurden mithilfe einer möglichst geringen Gebäudehöhe erreicht, wodurch das ­Gesamtvolumen und die Höhe der ­Dachüberstände minimiert werden konnten.

Die Eingangshalle und das Foyer sind als Verkehrsflächen außerhalb des Gebäudekörpers konzipiert, um die Anlauf- und Betriebskosten zu senken und die offenen Flächen unter den tiefen Dachüberständen zu nutzen. Letztere verbinden die riesige Arena mit ihrer Umgebung und übernehmen die Funktion der in der traditionellen japanischen Architektur als „engawa“ bezeichneten Veranden: Orte, an denen die Menschen vor starker Sonneneinstrahlung geschützt die Natur und die angenehme Meeresbrise genießen können. Die großen öffentlichen Bereiche im Außenraum bieten zudem Vorteile im Zuge der Eindämmung der COVID-19-Pandemie.

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Foto: ©鈴木研一/Ken’ichi Suzuki

Leichtes Gebäude

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Foto: Ken’ichi Suzuki

Um die Sporthalle leicht zu gestalten, setzten die Planer auf den großzügigen und allgegenwärtigen Einsatz von Holz als zentrales Thema des Entwurfs. Die Materialwahl erfolgte zudem vor dem Hintergrund der früheren Nutzung des Standorts als Holzlager. Holz wurde wo immer möglich eingesetzt, insbesondere für die Dachkon­struktion, die Fassade, die Zuschauersitze und die Außenwände, wobei die Eigenschaften des Holzwerkstoffs für jeden Anwendungsfall sorgfältig abgewogen wurden.

Der Holzrahmen der Decke soll das Gewicht der Gesamtkonstruktion reduzieren. Der Umlauf, über den die Zuschauer die Arena betreten, wurde bewusst nach außen verlagert. Die Holzfassade verfügt über eine geeignete Akustik- und Wärmedämmung. Das Spannungsverhältnis zwischen Funktion, Konstruktion und Raum lässt eine Anlage entstehen, die mit ihrer Schönheit und opulenten Schlichtheit überzeugt. Der Entwurf reflektiert das Wesen der traditionellen japanischen Holzarchitektur und möchte Zuschauer und Athleten aus der ganzen Welt begeistern.

Eine der größten Spannweiten weltweit

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Foto ©SSi

Um den architektonischen Entwurf mit den strukturellen und mechanischen Anforderungen in Einklang zu bringen und Konstruktionsrationalität zu gewährleisten, basiert das Tragwerk auf freitragenden Fachwerkbindern und einer Balkenstruktur. Das Holzdach hat eine Spannweite von rund 90 m, eine der größten Spannweiten weltweit. Für die Balken wurde Brettschichtholz aus japanischer Lärche verwendet – nicht als Verkleidungs- oder Hilfsmaterial für einen Stahlrahmen, sondern als unverkleidete tragende Elemente an der Arenadecke.

Zwecks Zerlegung der Komponenten für den Transport und die Montage wurde ein eigenes maßgeschneidertes Verfahren entwickelt. Das Brandverhalten und die Sicherheit der Dachkonstruktion wurden in Simulationen für den Arenainnenraum überprüft, ebenso wie das Belüftungssystem und die möglichen Layouts der Ausstellungshalle in der nach­olympischen Nutzung. Die bankförmigen 12.000 Sitzplätze in der Arenaschüssel bestehen aus laminiertem japanischem Zedernholz und füllen den Innenraum mit einer warmen Holzatmosphäre.

Die Außenwände dienen der Wärme- und Schalldämmung und nehmen den Umlauf im Außenraum mit ihrer nach innen gerichteten Wölbung auf. Sie sind mit schmalen Holzelementen verkleidet, die von Bäumen aus der Durchforstung der Zedernwälder stammen. Der Bodenbelag der äußeren Verkehrsflächen besteht aus Restholzschnitzeln mit sehr guter Wasserspeicherfähigkeit. Die Treppen, die im Innenraum die oberen und unteren Ebenen verbinden, sind aus laminiertem japanischem Zypressenholz gefertigt. Im gesamten Gebäude wurden die verwendeten Holzarten und Konstruktionsmethoden sorgfältig auf die jeweiligen Anforderungen abgestimmt. Um die Verwendung des Werkstoffs Holz zu maximieren, wurden alle erdenklichen Einsatzmöglichkeiten, im kleinen wie im großen Maßstab, analysiert und beleuchtet – ein umfassendes Unterfangen, das einer Anlage dieser Größenordnung würdig ist.

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